Gedanken an dich Drucken


Gerne sehe ich dir von Ferne zu. Beobachte deinen Gang, das Wippen deines Rocksaumes, die Art wie du dein Haar trägst. Mich beflügelt jede Drehung, die du auf deinen Absätzen vollführst und die Art, mit der du den Leuten im Café begegnest. Du arbeitest hier als Kellnerin und ich bin deinem Bann erlegen. Zu gerne würde ich erfahren, was du gerade denkst, wenn dich der Gigolo von Tisch Vier zum x-ten Male herbei ruft, um endlich deine Telefonnummer zu bekommen. Ein bisschen Schadenfreude macht sich in mir breit als ich sein Gesicht bei deinem Verlassen des Platzes erkennen kann.
"Ha, reingefallen!", denke ich und versenke amüsiert ein Stückchen Würfelzucker in meinem Café Latte. So einfach bist du nicht zu erweichen und diese Erkenntnis versüßt mir meinen Tag noch viel mehr als jede Gabe aus der Zuckerdose.
Zurzeit ist etwas Ruhe eingekehrt und du stehst am Tresen und genießt einen Cappuccino. Dein Geheimrezept ist ein Häubchen aus Zimtzucker auf dem Milchschaum!
Ja, was ich so alles von dir weiß! Und doch gibt es noch so viel zu entdecken.

"Na aber hallo, du alter Tagträumer", reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken ."Wieder mal Inspiration für deine Arbeit tanken?"
"Ciao, Phil, lange nicht gesehen", murmele ich etwas unbeholfen und begrüße leicht widerwillig meine Bekanntschaft vom letzten Autorenworkshop. Bevor ich noch irgendetwas hinzufügen kann, sitzt er schon bei mir am Tisch und erzählt von seinem neuesten Errungenschaften:
"Wieder Mal eine andere Lebensabschnittsgefährtin,... deshalb neuer Wagen..." Brummel, brummel und so weiter. Eigentlich interessiert es mich auch nicht wirklich, denn du kommst zu uns! Kokett hüpft eine Strähne in dein Gesicht und ...
"Nee, danke, brauchen jetzt nichts, bin gleich schon wieder weg. Wollte nur meinen alten Kumpel begrüßen!"
"Alter Kumpel?", durchzuckt es mich und drohend streckt sich meine rechte Augenbraue in die Höhe! Da trifft mich schon so ein gut gemeinter Schlag in den Rücken.
"Hoho, für so Eine lasse ich doch glatt meine Jetzige sausen", und mit einem Blick auf die Uhr springt er hektisch auf und ruft im Davoneilen:
"Schön so viel Neues von dir gehört zu haben, bis bald!"

Ein erleichterndes Seufzen verlässt mein Innerstes und ich wische mir über das Gesicht. Auch das noch! Milchschaum am Mund! Ob du es wohl bemerkt hast? Oh, Lächerlichkeit heute gehöre ich dir! Aber schließlich lässt man sich von so etwas nicht unterkriegen und so bestelle ich mir noch einen Aquavit. Leider erscheinst nicht du, sondern deine Kollegin. Doch nach einigen Minuten betrittst du wieder die Terrasse und kommst direkt auf mich zu. Mein Herz pocht wie wild als dein strahlendes Lächeln mich umfängt. Vertraut legst du mir deine Hand auf die rechte Schulter und ich vernehme dein zärtliches Flüstern: "Grüß´dich mein Liebster. Supi, dass du mich abholst, dann können wir die Geschenke für die Schwiegermutti gemeinsam besorgen."

© Heidemarie Andrea Sattler