Gefühlswelten im Jahre 7663 Drucken


Manchmal schaust du mir in die Augen, als ob du die Antworten auf deine Gefühle in meinem Inneren finden könntest. „Beseelte“, diesen Namen gaben wir euch. Schon bei unserem ersten Zusammentreffen im House of Cyberron fiel mir deine äußere Erscheinung auf: Hoch gewachsen, blasse Haut, schwarze Haarpracht mit violettem Touch, der mich sogleich an alte Indianergeschichten erinnerte und lange, schlangengrüne Wimpern, die recht unnatürlich wirkten. Diese Unstimmigkeit ließen wir jedoch schnell beheben und nun fasziniert mich ein türkisfarbener Augenaufschlag in deinem makellosen Gesicht.

Ja damals, das war genau vor fünfeinhalb Jahren, besuchte ich öfters die Ausstellungsräume von Cyberron um vielleicht Neues über den Fortschritt des Robot- equal- human- Programms zu erfahren. Das ist eine Institution, die sich mit der Gleichstellung zwischen Mensch und Roboter befasst und Kontakte vermittelt. Weiterentwicklung der Beziehung auch im Zwischenmensch- roboterlichen Bereich.
„Heute haben wir ein besonders exklusives Angebot für Sie“, sprach mich der Assistent an und führte mich an deinen Platz. „Das ist unser Modell Glory, gerade erst eingetroffen und mit unserem Prädikat „Besonders empfehlenswert“ ausgezeichnet. Virencheckup selbstverständlich inklusive! Und nur für heute: Übernahme aller Betreuungskosten mit Eingliederungsprogramm für den Partner ihrer Wahl zuzüglich Rückgaberecht innerhalb eines Zeitraumes von dreizehn Jahren.“
„ Aber hallo, das ist das beste Angebot, das ich bisher erhalten habe“, gab ich zur Antwort und signierte den Handel mit meinem Cashchip.

So kamst du in mein Leben und seit dieser Zeit organisierst du die Abläufe im Haushalt, tätigst die Bestellungen der nötigen Einkäufe und regelst so manche Erfordernisse, denen ich mich in meiner Geschäftigkeit nicht widmen kann. Die daraus resultierenden Annehmlichkeiten sind nicht mehr aus meinem Alltag wegzudenken. Viele meiner Freunde haben sich nach uns orientiert und auch einen Kontrakt bei Cyberron unterschrieben. Die Erlebnisse mit deinesgleichen liefern genug Gesprächsstoff für die Gesellschaftsabende, an denen ihr noch nicht teilnehmen dürft. Noch sind nicht alle Grenzen verwischt, die unsere Welten trennen…
„Ab und an eine kleine Reparatur oder eine neue Justierung bei Verschleißerscheinungen, das wäre auch schon alles“, höre ich noch den Verkäufer säuseln. Alles erschien so unkompliziert. Ich mochte deine zurückhaltende, höfliche Art, deine melodische Stimme und die immer gleichen Begrüßungsrituale, wenn ich von meinen Ausflügen von Terrana X nach Hause kam. Doch seit letztem Monat, es war der Tag nach Mittsommer, ging eine Verwandlung in dir vor. Immer öfter suchtest du meine Nähe. Wie zufällig berührte deine Hand mein Knie als du mir die Post reichtest. Diese scheinbar unwillkürlichen Aneinanderreihungen von Kommunikationsversuchen auf Gefühlsbasis wirbelten meine Welt durcheinander.
Wirkliche, ernsthafte Empfindungen für eine Spezies wie dich?... Nein, keinen Falls! Nach reiflichen Überlegungen habe ich mich davon überzeugen lassen, dich zurückzugeben und doch…, denn ich bemerke wieder diesen ungestillten, sehnsuchtvollen Blick in deinen Augen.
„Retourenservice“, reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken und schon verschwindest du, ohne jegliches Wort, aus meinem Leben. Nur undeutlich vernehme ich die Bemerkung des Cyberronangestellten: „ Immer das Gleiche mit diesen Humanuiden, einfach zu viel Gefühl. Das kann auf die Dauer keiner von uns Robotern ertragen!“

© Heidemarie Andrea Sattler


 
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