Meeresrauschen Drucken



Gebannt starrte er in den Sonnenaufgang. Seine Füße, umspült von der Frische des Meeres, hinterließen Abdrücke in dem nassen Sand.
„Einfach weggewischt, Vergangenheit?“, so fragte er sich und sog gierig die Luft ein, als ob er die Momente in der Erinnerung noch einmal kosten wollte. Gedanken an sie, bruchstückhaft und doch intensiv, so wie der Geschmack des Meeres, den er so sehr liebte. Ja hier, hier hatten sie ihre erste Nacht verbracht. Verliebt im Taumel von Umschlungenheit, Anziehungskraft der Gegensätze. Haltlos, wie im Rausch der Wellen, die sich an den Klippen brachen.
„Nein, Zweifel hat es nie gegeben“, hörte er sich flüstern und seine Finger durchfurchten den Strand als ob es noch Spuren von ihr zu entdecken gäbe. Keiner von beiden hatte ein so unverhofftes Ende ihrer Zweisamkeit vermutet. Die Nachricht, dass sie durch einen Autounfall ums Leben gekommen sei, ließ ihn bei lebendigem Leibe erstarren. Eisige Kälte kroch durch seine Adern, gefühllos, ohne jegliches Bestreben glitt er durch die Tage und Monate dahin. Nach scheinbar endlos andauernder Zeit siegte die Erinnerung der Liebe in seinem Herzen und gewann den Kampf ums Überleben. Unauffällig hatte er seit diesen Tagen sein Dasein gefristet. Allein, er und das Meer. Alles änderte sich jedoch, als er im alten Seesack ihr Tagebuch fand. Immer und immer wieder, wie tosender Donner, hallten ihre geschriebenen Worte in seinem Kopf wieder:
„Liebe heißt auch loslassen“. Befreit von seinem selbstauferlegten Martyrium konnte er nun einen neuen Anfang wagen. Entdeckungsreise der Gefühle. Suchend stieß seine Hand auf eine Muschelschale. Die Finger zitterten ein wenig, als er sie zu sich nahm und ausgiebig betrachtete. Leicht beugte er seinen Körper nach vorne und küsste sie zärtlich. Ein Lächeln huschte über das nasse Gesicht, als er dem Wind die Worte anvertraute:
„Das Glück der Liebe schmeckt salzig!“

© Heidemarie Andrea Sattler


Diese Geschichte war der Ausgangspunkt für den  Beitrag "Himmel an Erde - Leuchtfeuer für dich", der in der Anthologie "Sternengrüße" veröffentlicht ist.
 
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